The International Campaign for Real History
![]() Fest im Gedächtnis Die Tiefflieger-Angriffe auf Dresden hat es nicht gegeben
LEGENDEN sind unsterblich, ihr Lebenselixier ist der Glaube. Gegen Wissenschaft sind sie resistent. Deshalb wird auch der Luftkriegshistoriker Helmut Schnatz die Legende nicht aus der Welt schaffen, dass am 13. und 14. Februar 1945 britische und amerikanische Tiefflieger die Flüchtlinge auf den Dresdner Elbwiesen und im Großen Garten im Tiefflug mit Bordwaffen beschossen hätten. Schnatz knüpft an die Veröffentlichungen von Götz Bergander an, der in drei überarbeiteten Ausgaben seines Buches „Dresden im Luftkrieg” zwischen 1977 und 1994 aus alliierten und amtlichen deutschen Berichten nachgewiesen hat, dass die Augen- und Ohrenzeugen aus ihren subjektiven Wahrnehmungen falsche Schlüsse gezogen haben.
Nach allen inzwischen allgemein zugänglichen Dokumenten untersucht Schnatz noch einmal, was — besonders am Mittwoch, dem 14. Februar, — von Minute zu Minute welche Fighter Group mit welchem Auftrag getan hat, in welche Luftkämpfe sie als Begleitschutz verwickelt war, wie viel Treibstoff das bei gegebenen Windverhältnissen kostete und ob es aus physikalischen, ballistischen und psychologischen Gründen flugtechnisch möglich war, bei der schlechten Sicht über der rauchenden Stadt Ziele, und noch während Bomben fielen, wiederholt und massenhaft im Tiefflug anzugreifen. Das Schweigen der Flugberichte über solche Tiefangriffe wird nach der Legende damit erklärt, dass die Piloten sich des Gemetzels nicht rühmen wollten. Das aber ist — so Schnatz — unverständlich, wenn, wie die Legende auch behauptet, diese Angriffe befohlen gewesen wären. Das Ergebnis der überaus detailreichen Untersuchung: Es hat die seit dem Sommer 1944 im Westen alltäglichen Tiefangriffe auf „Gelegenheitsziele” (Lastwagen, Eisenbahnzüge, vereinzelt Personen) auch am 14. Februar 45 gegeben — aber nur auf dem Rückflug der Jäger in Thüringen, Hessen und Nordbayern, nicht in Dresden. Vernichtender Schlag Warum beharren jene, die sie erlebt haben wollen, darauf, es habe sie gegeben? Schnatz hat beim Psychologen Rat geholt. Danach war die mit den Flugzeugen, Bomben, Bildern und Geräuschen des Luftkrieges überhaupt nicht vertraute Dresdner Bevölkerung durch den plötzlichen vernichtenden Schlag völlig traumatisiert. Bei der Übermacht schrecklicher Eindrücke gingen die subjektiven Wahrnehmungen weit an der Realität vorbei — wie das ja schon unter normalen Umständen oft geschieht. Schließlich übernahm die SED-Literatur (Seydewitz 1955, Weidenauer [sic: Weidauer] , 6. Auflage 1986) die NS-Sprachregelung von den „anglo-amerikanischen Mordbrennern und Luftgangstern” zum Zwecke der Propaganda im Kalten Krieg. Auch das hat die Legende befestigt. Berganders Widerlegung wurde in all den Neuauflagen der reichen Dresden-Literatur nicht zur Kenntnis genommen, Schnatz wird es ebenso ergehen. Er zitiert aus dem Leserbrief einer Augenzeugin (FAZ vom 18. 2. 1985), die sich auf einen legendenkritischen Artikel bezieht:
Schnatz geht mit den Augenzeugen und Nacherzählern der angeblichen Erlebnisse anderer schonend um. Er untersucht, wie Bilder und Geräusche dieser Schreckensnacht und des folgenden Tages als Tiefflieger-Angriffe gedeutet werden konnten. Und seine Rücksichtnahme verbietet es ihm, ein generelles Problem der Augenzeugenschaft anzugehen: Dass sich nämlich der Augenzeuge von der Anfrage der Wissenschaft erst geehrt fühlt, dann aber, wenn seine Aussage bezweifelt wird, beleidigt ist. Er wird hinfort die Legende hartnäckiger als je zuvor vertreten. CHRISTIAN SCHÜTZE Related file: Pictures by this website. Right: Air raid victims waiting |
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